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Helmut Koopmann zum 75. Geburtstag:
Ein Leben für die Literatur-Wissenschaft

Daß sich namhafte Literaturwissenschaftler aus der universitären Forschung und Lehre mit Fachkollegen aus bedeutenden außeruniversitären Institutionen – Literaturarchive, Bibliotheken, Verlage – zusammenfinden, um einen Literaturwissenschaftler vom Format des Augsburger Emeritus Helmut Koopmann mit einer Festschrift zu ehren, versteht sich schon beinahe von selbst. Daß diese Schrift jedoch als „Highlight“ die Erstveröffentlichung eines Briefes des jungen Bert Brecht (Adressat ist der damalige Augsburger städtische Kapellmeister Carl Ehrenberg) aus dem Jahr 1916 bietet, muß nicht unbedingt erwartet werden – auch wenn Autoren wie Brecht und vor allem Thomas und Heinrich Mann, die der Nationalsozialismus ins Exil gezwungen hatte, einen Forschungsschwerpunkt Helmut Koopmanns bilden.

In seinem Beitrag um den erstpublizierten Brief über „Brechts erste Begegnung mit einem Komponisten und Dirigenten“ illustriert und belegt der Leiter der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, Helmut Gier, die starke Faszination, welche die klassische Musik auf den jungen Dichter ausübte, was sich bereits 1913 in einem ersten Entwurf für ein Opern-Libretto niedergeschlagen hatte. Brecht war „davon überzeugt, daß die Wirkung der Musik die seiner Dichtungen entscheidend steigern konnte.“ Konkret war „der unverhohlene Zweck“ von Brechts Brief, Ehrenberg zu überreden, zwei seiner Gedichte zu vertonen; darunter den „Tod im Wald“, dessen frühere Entstehungszeit als bisher angenommen durch den Brief an Ehrenberg nunmehr eindeutig nachgewiesen werden könne. Gier befindet sich mit seinen neuen Erkenntnissen somit in bester Koopmann’scher Tradition; zeichne sich doch Koopmanns Literaturverständnis, so die Herausgeberinnen der Festschrift, Andrea Bartl und Antonie Magen, u. a. dadurch aus, daß für ihn Vorgängertexte (Quellen oder Forschungsliteratur) „Speicher“ seien. Diese zu öffnen und ihren reichhaltigen Fundus zu verarbeiten, bedeuteten für den Leser – und den aus der Lektüre schließlich erst erwachsenden schreibenden Autor – immer wieder auf’s Neue einen Gewinn an Freiheit. Der geehrte Helmut Koopmann selbst betont diesen prozessualen Charakter und spricht in seinem kurzen Abriß über „Ein Buch, das mein Leben verändert hat“ – gemeint ist Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ – ganz bewußt von der „guten Lebenslektüre“, die vielleicht nicht sein Leben, „wohl aber meine Sicht auf das Leben“ verändert habe.

In diesem Sinne „erkunden“ in der Tradition und zu Ehren Koopmanns die Beiträger zur Festschrift Themenschwerpunkte, die sämtlich von diesem in seinen literaturwissenschaftlichen Forschungen bearbeitet oder erst herausgearbeitet worden sind: die deutsche Klassik ist u. a. mit Manfred Mischs Ausführungen zu Goethes „Werther“ vertreten; die Autoren des Vormärz behandelt u. a. Stefan Bodo Würffel in einem Beitrag über Heinrich Heines Spätwerk; während das literarische Schaffen der Gegenwart seinen Niederschlag in den lesenswerten und sprachlich ausgefeilten Gedanken Thomas Sprechers – „Flüchtigkeiten“ nennt der Autor sie selbst – zu Patrick Süskinds „Parfum“ findet: „Die Welt als Wille und Duft“.

Beschlossen wird das Buch – so ist es üblich – mit einer Liste der Publikationen Helmut Koopmanns von 1998 (in diesem Jahr war die Festschrift zu seinem 65. Geburtstag erschienen) bis Ende 2006. Was fehlt, ist eine kurze biographische Notiz zu den einzelnen Autoren. Warum eigentlich? Gereicht doch auch deren Werdegang – so hat die Herausgeberin Andrea Bartl seit 2007 die Professur für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg inne – ihrem ehemaligen Lehrer oder Weggefährten in jedem Falle zu Ehren!

 

Bartl, Andrea und Magen, Antonie (Hrsg.), Auf den Schultern des Anderen. Festschrift für Helmut Koopmann zum 75. Geburtstag, Paderborn, mentis Verlag, 2008

331 Seiten, € 58,00

ISBN 978-3-89785-615-8,

Veröffentlicht im August 2008 in der Augsburger Allgemeinen