"Kein Ort. Nirgends"
Zu Bildern von Franz Baumgartner
Klar geworden ist jedenfalls auf eindrückliche Art und Weise, daß Franz Baumgartners Werke alles sind – nur nicht, was sie an der Oberfläche zu sein scheinen. Der sozusagen „natürliche“ Gegensatz dieser Oberfläche ist die „Tiefe“; ohne diese könnte jene gar nicht existieren bzw. nicht definiert werden. Will man nun in die Tiefe der Baumgartnerschen Werke eintauchen, bemerkt man, daß der Künstler es dem Betrachter in dieser Hinsicht nicht gerade einfach macht. Helle Wasserflächen sieht man, mit Lichtreflexen, die an Glas erinnern, und denkt an einen Spiegel, der die Bilder zurückwirft, die über ihm schweben – und dadurch vorgibt, daß gerade nichts mehr „darunter“ sei. Diese spiegelnde Oberfläche, von Seen oder Teichen, bewirkt einen entmaterialisierenden Effekt, und ist so jeder stabilen erdverhafteten Struktur – und somit jedem realen Gewässer, wie man es auf der Landkarte findet – entgegengesetzt. Und liegt diese Wasserfläche auf dem Bild dann noch, wie bei Baumgartner des öfteren, in einer Sumpflandschaft, ist ein Maximum an Unsicherheit und Unbestimmtheit – zunächst nur des Geländes, dann jedoch auch der Einordnung und Bewertung dessen, womit es man es zu tun habe – endgültig erreicht.
Erinnern wir uns an die eingangs gestellten Fragen: „was“ malt Franz Baumgartner; und warum schweigt es so beharrlich still? Einige vorsichtige Hinweise gibt uns der Künstler: Seinen im Jahre 2004 erschienenen Katalog nennt er „Senza luogo“; dies bedeutet wörtlich übersetzt „ohne Ort“, freier könnte man sagen „nirgends“. Und einer 2008 veröffentlichten Zusammenschau seiner Werke gibt Baumgartner den Titel „Rifugio“, dies heißt „Refugium“ oder „Zuflucht“. – Ist dies nun nicht ein eklatanter Widerspruch? Wie kann man seine Zuflucht nehmen zu einem Ort, der keiner ist, zu einem „Nicht- Ort“? Diesen Zweifel verstärkt der Künstler noch, indem er auf manchen seiner Bilder – zum Beispiel auf dem 2005 entstandenen Werk „Hütte“ – menschliche Artefakte oder auch Behausungen plaziert. Deren Hersteller oder Erbauer sind verschwunden aus dem Bildraum, sind nicht einmal mehr Randerscheinung; und das Haus, die Hütte, spiegeln die Unverletzlichkeit der Behausung, mit anderen Worten ihre Tauglichkeit als Zuflucht, nur vor – trauen würde ihnen niemand, und wer wirklich Schutz braucht, würde sich nur aus purer Verzweiflung oder aus Mangel an Alternative dorthin flüchten. Der „Nicht-Ort“ als Zufluchts-Ort? – hier ist es vonnöten, weiterzudenken. Ein Blick auf die Feinheiten der Sprache mag helfen. Das italienische „rifugio“ verfügt nämlich über durchaus mehrere Bedeutungsebenen, die im Deutschen eher zum Bewußtsein kommen, da dieses zwischen der „Zuflucht“, die ein Ort, und der „Zuflucht“, die ein Tun ist, ein Vorgang, unterscheidet.
Und mit genau dieser Erkenntnis öffnet Franz Baumgartners Bildraum seinem Betrachter den Zugang unter die Oberfläche: der menschliche Geist, die Psyche, Imaginations- und Vorstellungskraft vermögen sich hinzubegeben zu einem „rifugio“, wo der Körper nicht ist, „senza luogo“ eben, ohne physische Präsenz, hier, am gegebenen Ort. Aufzeichnungen von Überlebenden der Shoah kommen in den Sinn, die, trotz aller Verschiedenheit der individuellen Schicksale, darin übereinstimmen, daß sie, inmitten unaussprechlichen Grauens, auf die „Freundschaft als Zufluchtsort“ stießen, wie Elie Wiesel es einmal ausgedrückt hat. Ein geistiger Raum ist es, um den es hier geht; reale Orte sind nicht mehr von Belang – und ihre Namen schon gar nicht.
Der Mensch ist sich selbst der Ort, und seine Ideen und geistigen Bilder sind seine Landschaft – so könnte man die „Landschaften“ Franz Baumgartners vielleicht umschreiben. Und exakt dies ist auch der Grund dafür, daß sie, aus verschiedenen, vermeintlich bekannten „landschaftlichen Bauteilen“ – wie Wasser, Baum, Holzhütte – zusammengesetzt, oberflächlich betrachtet, schweigen: da sie landläufige Vorstellungen von und Ansprüche an „Landschaft“ weder bedienen noch dieses zu tun überhaupt je beabsichtigen, haben sie in dieser Hinsicht dem Betrachter auch nichts mitzuteilen. Jedoch: sie fordern auch nichts! Wer allerdings bereit ist zum Blick unter die glänzende Oberfläche, zum Abstieg in die Tiefe, demjenigen können sie einen Weg weisen – hin zu einem Zufluchtsort, den er bisher nicht gekannt, von dessen Existenz ihn höchstens eine vage Ahnung gestreift hat – zu seinem innersten Selbst nämlich.
„Die Welt tut, was ihr am leichtesten fällt: Sie schweigt.“
Christa Wolf, Kein Ort. Nirgends, 1981
Franz Baumgartner - Kein Ort. Nirgends
in Ausstellungskatalog:
"Perspektive Landschaft, Aktuelle Positionen der Landschaftmalerei"
Dokumentation der Ausstellungen auf Schloß Achberg und im Kunstverein Augsburg / Toskanische Säulenhalle
Herausgeber: Dr. Kai-Michael Sprenger
beteiligte Künstler:
Franz Baumgartner, Michael Bach, Jan Kromke, Werner Liebmann, Christopher Lehmpfuhl, Harald Gratz, Ronald Franke, Werner Knaupp, Harry Meyer, Sigrid Nienstedt, Bernd Zimmer usw.
ISBN 3-9809999-9-8
Literatur
Beelmann, Axel, Artikel „Wohnen“, in: Konersmann, Ralf (Hrsg.), Wörterbuch der philosophischen Metaphern, 2., unveränderte Auflage, Darmstadt 2008, S. 545 – 557 Rolf, Thomas, Artikel „Tiefe“, in: Konersmann, Ralf (Hrsg.), Wörterbuch der philosophischen Metaphern, 2., unveränderte Auflage, Darmstadt 2008, S. 458 – 470
geboren 1962 in Kleve
lebt in Köln
Studium
1985-1989 Fachhochschule Köln bei Professor Karl Marx
1989-1993 Kunstakademie Düsseldorf bei Professor Dieter Krieg
Preise und Stipendien
2000 Arbeitsstipendium im Herrenhaus Edenkoben
1999 Arbeitsstipendium des Kunstfonds e.V.
1998 Stipendiat des Villa Vigoni - Kollegs, Loveno di Menaggio, Italien
1997 Stipendium der Villa Romana
1994 Reisestipendium des Kunstvereines für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
Deutscher Kunstpreis der Volks- und Raiffeisenbanken
1993 Preis der Darmstädter Sezession
2020
Galerie Felix Ringel, Düsseldorf
Galerie Peters- Barenbrock, Ahrenshoop
2019
Richas digest Kunstraum Köln
Cyprian Brenner Galerie, Schwäbisch- Hall
2018
Kunstraum Averkorn, Sinsheim
Galerie Hübner, Frankfurt
2017
Atelier-Galerie Oberländer, Stadtbergen
2016
Galerie Cyprian Brenner, Schwäbisch- Hall
Galleria VV8 arte contemporanea, Reggio Emilia, Italien
2015
Galerie Felix Ringel Düsseldorf
Galerie Pfundt, Berlin
2014
Universität Schloss Mannheim
Galerie Peters- Barenbrock
Vida Museum, Öland, Schweden
Galerie Cyprian Brenner, Schwäbisch- Hall
2013
Galerie Hübner, Frankfurt
2012
Galerie Lux, Berlin
The Solo Show, Basel, Galerie Felix Ringel
SüdWestgalerie, Niederalfingen
Strzelski Galerie Stuttgart
2011
contemporary art, Heusden aan de Maas, NL
EMB-Contemporay Art, Liechtenstein
2010
Galerie Felix Ringel, Düsseldorf
Galerie Peters- Barenbrock, Ahrenshoop
Kulturkirche St, Egidien, Nürnberg
2009
Galerie Hübner, Frankfurt
Galerie Lukas Feichtner, Wien, Österreich
2008
Galleria Astuni, Pietrasanta, Italien
Galleria VV8 artecontemporanea, Reggio Emilia, Italien
2007
Galerie Lukas Feichtner, Wien, Österreich
Galerie Felix Ringel, Düsseldorf
Galerie Hof & Huyser, Amsterdam
2006
Galerie Felix Ringel, Düsseldorf
Galerie Hübner, Frankfurt
2005
Galerie Hof & Huyser,Amsterdam
2004
Galerie Hübner, Frankfurt
Galleria Astuni, Pietrasanta, Italien
2003
Galerie Hof & Huyser, Amsterdam
2002
Kunstverein Siegen
Museum für Gegenwartskunst, Siegen
Felix Ringel Galerie, Düsseldorf
Galerie Six Friedrich/Lisa Ungar, München
2001
Galerie Hof & Huyser, Amsterdam
Galerie Hübner, Frankfurt/M.
2000
Galerie Renate Schröder, Köln
HWL - Galerie, Düsseldorf
Ausstellung zum Abschluss des Stipendiums, Herrenhaus Edenkoben
Lippische Gesellschaft für Kunst e.V., Kunstverein Detmold
Galerie Hübner, Berlin
1999
Galerie Six Friedrich, München
Galerie Hübner, Frankfurt/M.
1997
Galerie Brigitte Ihsen, Köln
Kunstverein Bahlingen
Galerie Hof en Huyser, Amsterdam (NL)
1996
Stadtmuseum, Siegburg
1995
Galerie Barz, Hannover
Galerie Six Friedrich, München
Mathildenhöhe, Darmstadt
1994
Galerie Brockmanns, Willich
2020
Stiftung Sparkasse Biberach
Galerie Cyprian Brenner, Augsburg
Städtische Galerie Schloss Kißleg
2019
Kunstverein Xanten
Galerie Hübner, Frankfurt
Ecke Galerie, Augsburg
Galerie Hübner, Frankfurt
Galerie Peters- Barenbrock, Berlin
Kunsthalle Darmstadt
Designhaus Darmstadt
2018
Richas Digest Kunstraum, Köln
Galerie Hübner, Frankfurt
Galerie Peters- Barenbrock, Ahrenshoop
Galerie Cyprian Brenner, Niederalfingen
2017
Nord Art, Kunstwerk Carlshütte, Rendsburg
Galerie Sabine Pfundt, Berlin
Galerie Hübner, Frankfurt
Galerie Peters- Barenbrock
2016
Galerie Felix Ringel, Düsseldorf
Art Priori, Mannheim
Galerie Schageshof, Willich- Anrath
Kunstforum Eifel, Schleiden- Gmünd
2014
Galleria Astuni, Bologna, Italien
Galerie Hübner, Frankfurt/ Main
Galerie Sabine Pfundt Berlin
Galerie Felix Rngel, Düsseldorf
2013
Suedwestgalerie Niederalfingen
Galerie Peters- Barenbrock, Ahrenshoop
Suedwestgalerie Niederalfingen
2012
Galleria Astuni. Bologna Italia
2010
Museum Kurhaus, Kleve
Kunstverein Augsburg
2009
Schloss Achberg, Ravensburg
Sammlung Urban, Waidhofen/ Ybbs, Österreich
2008
Kunstsammlung Gera, Orangerie
2007
Galerie Hübner, Frankfurt
2006
Galerie im Woferlhof, Bad Kötzting
Städtische Galerie Böblingen
2005
Trevi Flash Art Museum
Tresor Kunstforum ,Wien
Biennale Prag 2
Jubiläumsausstellung 100 Jahre Kunstpreis der Villa Romana
Fuhrwerkswaage Köln
Lukas Feichtner Galerie, Wien
Mathildenhöhe ,Darmstadt
2004
Artoll-Labor, Bedburg - Hau
2003
Galerie Nisters, Speyer
2002
Galerie Schrade im Schloß Mochenthal, Ehingen
Kulturbahnhof Eller, Düsseldorf
2000
Kunstverein Düsseldorf
Michetti, Francavilla al mare, Italien
Artoll Labor, Bedburg – Hau
1998
Museum Folkwang, Essen
Mittelrhein - Museum, Koblenz
1997
Museum Schloss Homburg, Nümbrecht
1996
Haus der Kunst, München
Raum für Acht, Gothaer Kunstforum, Köln
Universität Alicante, Spanien
1995
Artoll Labor im Bedburg – Hau
Galerie Six Friedrich, München
Josef - Haubrich - Kunsthalle, Köln
1994
Haus der Kunst, München