Werner Knaupp
Dem tod in den Krater blicken
Es ist Feuer unter der Erde / und das Feuer ist rein / Es ist Feuer unter der Erde und flüssiger Stein / Es ist Strom unter der Erde / der strömt in uns ein / Es ist Strom unter der Erde / der sengt das Gebein / Es kommt ein großes Feuer / es kommt ein Strom über die Erde…
Ingeborg Bachmann (aus dem Zyklus „Lieder von einer Insel“)
Vulkane, Vulkankrater und Vulkaninseln sind schon seit langem Gegenstand künstlerischer Auseinandersetzung im Werk Werner Knaupps. Der ursprüngliche Farbkanon Schwarz und Grau, wird in seinen jüngsten Vulkanbildern erweitert um das Rot in all seinen Schattierungen – die Aschenfarbe also, die vom Verbrennen organischen Materials bleibt, leuchtet nun im Schein des wieder entfachten Feuers, des Fanals von Gewalt und Zerstörung. Im Wortsinne gewalt“tätig“ ist die dem Vulkan konnotierte Begrifflichkeit: Von wilden Strömen und Schlünden, von sprühendem Getöse, vom qualvollen Abgrund des Elends, von brennendem Meer und Firmament, vom „disastro“ (wörtlich dem „Unstern“, dem schlechten Vorzeichen, dem bösen Geschick, der Heimsuchung) ist die Rede.
Der moderne, fortschritts“gläubige“ [sic!] Mensch mag spotten und das vulkanische Chaos in wissenschaftliche Theorie einhegen – pyroklastische Ströme, die ALLES auf ihrem Weg vernichten, entlarven eine solche Denkweise als „Erkenntnisidealismus“ – eine noch eher zu vornehme Vokabel; Hybris würde es besser umschreiben.
Um die literarischen Zeugnisse wieder aufzunehmen: Der bei den Einheimischen althergebrachte Name des Vulkans Ätna lautet „Mongibello“: etymologisch seit der Prämoderne von dem lateinischen „mons“ bzw. dem italienischen „monte“ und dem arabischen „djebel“ hergeleitet – beides bedeutet „Berg“. Der Vulkan ist dergestalt ein „BergBerg“, mit anderen Worten: nicht „ein“ Berg, sondern „DER“ Berg, in allumfänglicher Bedeutungsmacht. Der neapolitanische Schriftsteller Erri De Luca bezeichnet den Fatalismus seiner Landsleute im Angesicht des Vesuvs als „Aschenschwere“; und Erich Fried dichtet: „Gebranntes Kind fürchtet das Feuer / Gebrannten Kindes Kinder / fürchten das Feuer nicht / … Asche ist furchtlos!“ Eine in ihrer Assoziativität unvergleichliche Sentenz!
Doch blicken wir wieder auf Werner Knaupps Vulkane. Wenn oben von der Hybris gesprochen wurde, so hat sich diese bei Knaupp schnell erledigt: Sein vulkanisches Feuer lässt sich nicht domestizieren; Tod und Vulkan infizieren einander; der von den Ausdünstungen des feuerspeienden Kraters angesteckte und fiebernde Schädel explodiert; der letzte Triumph der Hybris steigt in einer Funkenfontäne gen Himmel; und nur eine verzerrte Fratze, das ultimative infernalische Gelächter, ein entsetztes Erstaunen und dann Verzweiflung, brennen sich dem Schauenden blitzartig ins Gedächtnis, bevor alles, was ehemals menschlich gewesen, der vollständigen Vernichtung anheimfällt, der „annihilatio“ – nichts bleibt. Kein Maler, kein Betrachter, keine Kultur, keine Geschichte: Kultur, so der Philosoph, entstehe aus der Trennung von Faktizität und der Bedeutung, welche der ersteren zugeschrieben wird – der Tod hebt diese Trennung auf. Geschichtliche Abläufe fallen an die Natur zurück; Ewigkeit ist geschichtslos; ein Stillstand der Zeit in Versteinerung.
Der Tod ist das Einzige, was alle Menschen gemeinsam haben; ebenso wohl ihr Hadern mit – je nach Neigung, Herkunft und Sozialisation – der Gottheit, dem Schicksal oder der Natur, wegen deren aller Indifferenz der (aus der Perspektive der Sterblichen:) Bürde von endlicher Lebenszeit und Sterben gegenüber. Vergebliche Liebesmüh: der Römer Lukrez bereits fragt uns, rhetorisch, warum wir den Tod fürchten, der ein Zustand sei vergleichbar dem, bevor wir geboren würden – und den fürchteten wir nicht. Etwas karikaturesk gesprochen: Wer tot ist, lebt ewig.
In Werner Knaupps Vulkanen materialisiert sich der Tod, der Vulkan IST der Tod. Der Künstler zeigt uns ohne Schonung und Beschönigung, auch nicht für sich selbst, eine menschenleer, eine zeitlos und ahistorisch gewordene, Welt.
Das Gedicht der Ingeborg Bachmann, oben angeführt als Eingangswort, ist noch nicht zu Ende: „Wir werden Zeuge sein“, so lautet die letzte Zeile. Vielleicht ist dies das Letzte, was wir tun. Denn das Jüngste Gericht ist in Wahrheit das älteste – seit Menschengedenken, und lange davor. Werner Knaupp erinnert uns daran in seinen Vulkanen – so schrecklich, und so schön!
Atelier Werner Knaupp, Foto © H. Meyer
Vulkan 6, 2021, Foto © W. Mennel
Werner Knaupp
1936 In Nürnberg geboren
1957-1961 Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg
1963-1964
seit 1964 Reisen in extreme Landschaften (Wüsten, Vulkane, Berge)
1970-1971 Gastdozentur an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe
1977 Teilnahme an der documenta 6
1977-1978 Arbeit als Hilfspfleger im Nervenkrankenhaus Bayreuth
1979 Arbeit im Sterbehaus der Mutter Teresa in Kalkutta, Indien
1980 Arbeit im Krematorium Nürnberg
1982-1987 Arbeit mit dem Schmiedemeister Hans Hahn an Skulpturen
1986-2001 Professur für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg
2002-2012 Großformatige Acrylbilder (Vulkane, Klippen und Meer)
seit 2004 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste München
2012-2018 Blumenprojekt (Fotografien, u. a. geschnitten und mit Acryl übermalt)
seit 2018 Starkfarbige Acrylbilder (Atome, Vulkane)
(Auswahl seit 1965)
Galerie Defet, Nürnberg; Galerie Stangl, München; Kunsthalle Baden-Baden; Mannheimer Kunstverein; Kunstverein Heilbronn; Galerie Bernd Lutze, Friedrichshafen; Galerie Wilbrand, Köln; Kunsthalle Mannheim ; Augustinermuseum der Stadt Freiburg; Heidelberger Kunstverein; Nationalgalerie Berlin; Kunsthalle Bremen; Overbeck-Gesellschaft Lübeck; ; Germanisches Nationalmuseum; Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen; Städtische Galerie im Cordonhaus, Cham; Museum für zeitgenössische Kunst, Frankfurt/Oder; Kunstverein, Coburg; Neues Museum, Nürnberg; Galerie Hartmann & Noé, Berlin; Bayerische Akademie der Schönen Künste, München; Kulturspeicher Oldenburg im Stadtmuseum Oldenburg; Kunstmuseum Bayreuth; ; Bode Galerie, Nürnberg; NordseeMuseum Husum; Galerie Rothe, Frankfurt/Main; Marburger Kunstverein;
(Auswahl siet 1965)
Haus der Kunst, München; Badischer Kunstverein, Karlsruhe; Kunsthalle Nürnberg; Kunstverein Hannover; Galerie von Loeper, Hamburg; University of Kentucky Art Gallery, University of Iowa Art Museum, San Francisco Museum of Art, Städtische Kunsthalle, Recklinghausen; Städtische Galerie Schloß Oberhausen; Rheinisches Landesmuseum, Bonn; Mathildenhöhe, Darmstadt; Staatsgalerie Stuttgart; Landesmuseum, Münster; Haus der Kunst, München; Galerie Defet, Nürnberg; Kunstverein Augsburg; Staatliche Graphische Sammlung, München; Städtische Kunstsammlungen, Ludwigshafen; documenta 6, Kassel; Kunsthalle Kiel; Nationalgalerie Berlin; Galerie deGalerie Holbein, Lindau; Kunstsammlungen der Veste Coburg; Galerie der Stadt Kornwestheim; Kunstverein Salzgitter; Kunsthalle Darmstadt; Städtische Galerie, Erlangen; Kunstverein München, München; Berlinische Galerie, Berlin; Kunstmuseum, Düsseldorf; Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen
Neue Galerie der Stadt Linz; Wolfgang-Gurlitt-Museum, Linz; Museum Ludwig, Köln; Kunsthalle Düsseldorf; Kasseler Kunstverein; Gesellschaft für Aktuelle Kunst e.V., Bremen; Graphische Sammlung, Staatsgalerie, Stuttgart; National Gallery of Modern Art, Jaipur House, New Delhi; Wilhelm-Lehmbruck-Museum, Duisburg; Kunstverein Hamburg, Hamburg; Städtische Galerie im Lenbachhaus, München; Kunstverein Köln, Köln; Atelier-Galerie Oberländer, Augsburg; Galerie Manfred Rieker, Heilbronn; Kunsthaus Nürnberg; Kunstpalast Düsseldorf
Bundeskanzleramt, Bonn; Neue Darmstädter Sezession, Darmstadt; Overbeck-Gesellschaft, Lübeck; Galerie Rothe, Frankfurt a.M.; St. Annen-Museum, Lübeck; Galerie der Stadt Rastatt; Museum Folkwang, Essen; Esslinger Kunstverein; Pfalzgalerie, Kaiserslautern; Städtische Museen, Heilbronn; Staatliche Galerie Moritzburg Halle; Musée d´Unterlinden, Colmar; Kunstverein Eislingen; Galerie der Künstler, München; Gedenkstätte Theresienstadt, Theresienstadt; Kunstverein Kronach; Museum Moderner Kunst, Passau; Museum der Stadt Ratingen; Städtische Galerie "Sohle 2", Bergkamen; Städt. Museen Zwickau; Siegerlandmuseum Siegen; Internationales Künstlerhaus Villa Concordia, Bamberg; Galerie im Woferlhof, Kötzting; Oberösterreichisches Landesmuseum, Linz; Medizinhistorisches Museum der Charité, Berlin; Kunsthalle Erfurt; Wilhelm-Fabry-Museum, Hilden; Kunsthaus Kaufbeuren; Galerie Bernd Lutze, Friedrichshafen; Schloß Achberg/Ravensburg; Forum Kunst Rottweil; Kunstsammlungen Chemnitz; Museum Würth, Künzelsau; Albertinum Dresden; Diözesanmuseum Osnabrück; Kunstverein Wilhelmshöhe, Ettlingen; Städtische Galerie Traunstein; Museo Würth La Rioja; Kunsthalle Schweinfurt; Städtische Galerie in der Badstube, Wangen; Kunstverein Hof; Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall; Museum für Neue Kunst, Freiburg; Kunsthalle Bremen; Landesgalerie Linz.;