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Engagiert für die Region

Aktuelle Forschungsergebnisse in der Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben

Mit dem mittlerweile bereits 97. Band seiner „Zeitschrift“ präsentiert der Historische Verein für Schwaben in bewährter Form aktuelle Forschungsergebnisse zur politischen, sozialen und wirtschaftlichen Geschichte der Region Bayerisch-Schwaben. Die 11 Aufsätze umfassen einen Zeitraum vom Mittelalter bis zur Zeitgeschichte; ergänzt werden sie von der unter Federführung Helmut Giers erstellten Bibliographie des im Jahre 2003 zum Thema „Bayerisch-Schwaben“ erschienenen und in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg gesammelten Schrifttums.

Mit der Stadtgeschichte Augsburgs im Mittelalter befassen sich die Beiträge von Paula Giersch und Raymund Kottje. Giersch thematisiert den Zusammenhang zwischen dem Selbstverständnis der städtischen Führungsschicht und einer von dieser Führungsschicht in Auftrag gegebenen Geschichtsschreibung, welche die Balance zu suchen hatte zwischen Tradition, deren Bedeutung in der Gegenwart und dem Aufbruch in eine neue Zukunft – auch ein höchst modernes Problem! Kottje kommt zum Ergebnis, daß Augsburg für sein Thema, die „Entwicklung“ eines dauerhaften Einflußgebietes rund um die Stadt, gerade nicht repräsentativ sei, da der mächtige bischöfliche Nachbar eine solche Entwicklung gar nicht zuließ.

Anhand frühneuzeitlicher Kleiderordnungen belegt Hartmut Bock, wie gesellschaftliche Eliten danach strebten, sich abzuschotten und sozialen Aufstieg „von unten“– wenn nicht zu unterbinden – so doch mindestens zu kontrollieren und zu steuern. Ergänzend hierzu beschreiben Christof Paulus’ Ausführungen über den Augsburger Stadthauptmann und Landsknechtsführer Sebastian Schertlin, unter welchen Bedingungen – hier durch herausragende militärische Leistungen im Krieg – ein sozialer Aufstieg eben doch möglich war: typisch für Schertlin und viele seiner Zeitgenossen war die Verquickung der religiösen mit der politischen oder wirtschaftlichen Zielsetzung.

Äußerst quellen- und kenntnisreich zeigt sich der Aufsatz von Inge Keil – bekannt geworden mit ihrem Werk über den „Augustanus Opticus“ Johannes Wiesel – und Helmut Zäh über den Astronomen Tycho Brahe. Besonderes Verdienst gebührt den Autoren für Übersetzung und Redaktion der im Anhang edierten Briefe, da sie Geschichte lebendig machen: neben aller gelehrten Diskussion erweisen sich die Schreiber als normale Menschen mit alltäglichen Problemen und Gefühlen und werden so auch dem interessierten Laien zugänglich. Der Augsburger Emeritus Johannes Janota steht mit der kommentierten Faksimile-Edition eines seltenen Gesangbuches aus dem 16. Jahrhundert für die unzähligen Schätze an Archivalien, Handschriften und Druckwerken, die Augsburg besitzt – und die im übrigen von allen Autoren intensiv genutzt worden sind und keinesfalls ein verstaubtes Schattendasein führen!

Wolfgang Wüst widerlegt in seiner Untersuchung über das Augustiner-Chorherrenstift Wettenhausen, welche durchaus als repräsentativ für den spezifischen Wirtschaftsstil geistlicher Territorien in Süddeutschland gelten kann, das hartnäckige Vorurteil, die historische Klosterwirtschaft sei rückständig gewesen und hinter der zeitgleichen Modernisierung und Rationalisierung weltlicher Herrschaften zurückgeblieben. Am Beispiel der Hornisten der Wallersteiner Hofkapelle zwischen 1745 und 1825 schildert Günther Grünsteudel anschaulich den sozialen Status und die Bedingungen der Berufsausübung für Künstler gegen Ende der Frühen Neuzeit – Bedingungen, die nach wie vor geprägt waren durch Abhängigkeit und materielle Not, sobald sich der fürstliche Auftraggeber in seinen politischen Ambitionen „vergaloppiert“ und die Staatsfinanzen ruiniert hatte.

Am Beispiel des Gymnasiums bei St. Anna wird von Renate Weggel aufgezeigt, wie in der NS-Zeit der Schulalltag durch die „Konkurrenz“ der übergeordneten „Hitlerjugend“ beeinflußt und unterwandert wurde, so daß schließlich von einer Erfüllung des Erziehungsauftrages nicht mehr die Rede sein konnte.

Der Einzigartigkeit von regionalen Kulturdenkmälern und der besonderen Verantwortung für deren Erhaltung widmen sich in ihren Beiträgen über den Schwaighof bei Nordendorf Sandra Reißer, und über ein bisher unbekanntes jüdisches Ritualbad (Mikwe) in Ichenhausen Peter Schwenk. Beide Autoren machen klar, daß ein Bewußtsein in der Öffentlichkeit für regionale Kulturdenkmäler vielfach erst geschaffen werden muß – und hier schließt sich der Kreis, denn genau solches geschieht durch das Engagement von Institutionen wie dem Historischen Verein für Schwaben und die von ihm veröffentlichten Schriften, denen man einen möglichst großen Leserkreis wünscht!

veröffentlicht in der Augsburger Allgemeinen Juni 2005

Cover Zeitschrift des Hostorischen Vereins

Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben

97. Band (Jahrgang 2004)

herausgegeben vom Historischen Verein für Schwaben, Augsburg

Wißner-Verlag, 2005

ISBN 3-89639-474-6, 527 Seiten, € 25,00


Bild von Franz Baumgartner