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Werk von Michael Königer

Michael Königer

Totentanz reloaded

Der Bildhauer Michael Königer setzt sich in seinem Werk bereits seit langem mit dem Themenkreis Sterben – Tod – Verwandlung – Vergänglichkeit, auseinander. Auch seine eigene Vergänglichkeit, so sagt er, finde in sein Schaffen Eingang; forsch, ironisch, augenzwinkernd; womöglich auch ein wenig das Pfeifen im Walde?

Von diesbezüglich bemerkenswerter Ambivalenz sind in jedem Falle die Werktitel: „Er [der Tod] verspricht uns goldene Zeiten“ – waren das nicht „blühende Landschaften“, meint man zu erinnern? Es ist ihm nachzusehen in seinem fortgeschrittenen Alter; manchmal ist er eben etwas durcheinander und verwechselt schon mal was … Des Weiteren: „Er ist perfekt vernetzt“ – der optische Eindruck suggeriert eher ein „gefangen im Netz“, während die übliche Konnotation selbstredend bedeutet „verbunden“, „eingebunden“, mit guten „connections“. An diese letzteren erinnert sich gegebenenfalls, wer, wie Michael Königer, ab und an Dantes „Göttliche Komödie“ zur Hand nimmt. Dantes Führer Vergil verweist im Dritten Gesang des Inferno den greisen Fährmann Charon auf die „gute Verbindung“ nach oben und den göttlichen Willen, der da heißt, Dante als Lebenden über den Fluss Acheron zu fahren. Charon, ansonsten nicht zimperlich und die angstvoll Zaudernden mit kräftigen Hieben des Ruders „ermunternd“, gehorcht unverzüglich. Ist hier bei Königer, wie bei allen Sterblichen, der Wunsch der Vater des Gedankens, nämlich, dass man über den Transit „hinüber an das andere Ufer“, wenn schon nicht mit dem Tod, so doch, wie in diesem Falle, mit seinem Helfershelfer, verhandeln könne?

Der Tod – was ist „er“ oder „es“ eigentlich? Ein Faktum, eine Person oder eine Allegorie, ein Vorgang, oder doch eher ein Zustand? Das Philosophieren, vielleicht nicht ganz so hochtrabend: das Nachdenken darüber, ist so alt wie die Menschheit – gestorben wurde schon immer. Der „Karner“, das Beinhaus, die Schädelpyramide, die morbide Ästhetik des Körperschmucks aus Knochen bei Naturvölkern – all dies ist „multikulturell“; seit Äonen und bevor der Begriff geprägt war und Mode oder auch Un-Wort wurde. Historische Gegebenheiten wie die Pest-Epidemien des Mittelalters, beförderten die Beschäftigung mit dem Tod und brachten das literarische und künstlerische Motiv des „Totentanzes“ hervor, in den romanischen Sprachen deutlich plakativer als im Deutschen, als „danse macabre“ oder „danza macabra“ bezeichnet – als ein Tanz, so grausig wie grotesk. Die Sinnstiftung des „Totentanzes“ war eine zweifache: die Rückbesinnung auf das Sterben-Müssen aller Menschen, auf die Gleichheit aller vor dem Tode einerseits; und die Versicherung, dass alle Vergänglichkeit einem höheren Zweck folge, andererseits. In diesem Sinne vereinigen sich Königers Skulpturen zum Reigen eines modernen, säkularen Totentanzes, welcher, jenseits von christlichen Heilsversprechen und religiöser Transzendenz, eine tief empfundene Kunst des Lebens zelebriert, trotz oder gerade im Angesicht des Todes – „Lebenskunst“ wohlgemerkt, keine „Sterblichkeits-Verdrängungskunst“. Pikante Randbemerkung: Diverse wissenschaftliche Publikationen zu den „Totentänzen“ konstatieren unabhängig voneinander, dass eine Auflistung von außerhalb der gesellschaftlichen Stände-Ordnung stehenden Figuren (zum Beispiel Narr, Einsiedler, Jude, Heide; Wucherer, Spielmann, Blinder etc.) auch den „Maler“ (ergo den „Künstler“) einschließt – das hat er nun von seinem Bemühen; Undank ist der Welt Lohn …

Das Paradoxon des Todes bestehe darin, so der Philosoph, dass er Teil des Lebens sei, unabänderlich, wir ihn aber nichtsdestotrotz nicht er-leben könnten! Man kann weder den eigenen Tod erfahren, noch den eines anderen sterben. Insofern gibt es auch nicht „den“ Tod, sondern eines jeden Menschen Tod – und damit endet unser Wissen. Die simple Tatsache, dass wir uns nicht tot, sondern nur lebend auf den Tod beziehen können, ist eine Selbstverständlichkeit, der wir uns nur zu gerne durch Ablenkung, hektischen Aktionismus geradezu, entziehen wollen.

Der Bildhauer Michael Königer zeigt uns eine andere Sichtweise: Den Tod er-leben kann auch er nicht. Stattdessen lässt er den Tod leben, indem er auf die Tradition zurückgreift und, in ironisierender Form, eine Erneuerung der Personifikationen des Todes vornimmt – er re-allegorisiert ihn. Der Tod wird zum Schwätzer, der uns Versprechungen macht, die nicht haltbar sind; sein Symbol, der Totenschädel, wird in ein Gehäuse eingerahmt, welches ihn doch eher unbehaust in der Welt zurücklässt. Er wird zum „Gevatter“, im frühneuzeitlichen Sprachgebrauch der (Tauf-)Pate, der die Taufe bezeugen und seinem Schützling ins Leben hineinhelfen soll – „Gevatter Tod“ expediert ihn wohl eher hinaus. Wem früher ein Kind geboren wurde, derjenige hatte eine geeignete Person zum „Gevatter zu bitten“ – im Zusammenhang mit dem Tod eine etwas misslungene parodistische Wendung der Formel – denn der Tod kommt doch wahrlich ungebeten. Und was kann der Tod vor der Welt bezeugen? – Den Tod!

Wir entkommen dem Tod nicht – das eigentlich Tragische jedoch ist, dass wir uns selbst nicht entkommen – nicht unserer Oberflächlichkeit und nicht unserer Ignoranz, unserer Egomanie nicht, und nicht unserer ebenso bedingungslosen wie haltlosen Hingabe an die Illusion der eigenen Unsterblichkeit.

In diesem Sinne sind Michael Königers Skulpturen nicht weniger als ein Nekrolog auf die Evolution und ihren „krönenden“ Abschluss, den modernen Menschen. Dem Tod entkommt auch der Künstler nicht – aber er ist ihm immer noch ein sardonisches Lächeln und einige Plastiken voraus.

Brigitte Herpich M. A.

Da die Menschen kein Heilmittel gegen den Tod, das Elend, die Unwissenheit finden konnten, sind sie, um sich glücklich zu machen, darauf verfallen, nicht daran zu denken.

Blaise Pascal

Literatur:

Dante Alighieri, Die Göttliche Komödie, übersetzt von Hermann Gmelin, Philipp Reclam Jun., Stuttgart 1980 (erstmals 1954)

Schulte, Brigitte, Die deutschsprachigen mittelalterlichen Totentänze, Niederdeutsche Studien Band 36, Böhlau Verlag, Köln / Wien 1990

Michael Königer

Vita

1959 geb. in Dachau

1976 Ausbildung zum Bildhauer und Steinmetz

1985 Steinbildhauermeister

1993 Berufsverband BBK Augsburg

1994-1996 Auftragsarbeiten für den Hell’s Angel’s MC,
         Deutschland, Holland, England

2004 Initiator Bildhauer-Symposiums Mühlhausen/OPf.

2012 Filmprojekt „Rockin Stone“, Zipf/Königer

2017 Projekt „Cooking Vinyl“; Schallplatten-Skulpturen/„Zeitkönig“; Zeitler/Königer

Kunst im Öffentlichen Raum

2013 Fischskulptur Fischersiedlung, Mühlhausen/OPf.

2013 Läuferin II Isola Vicentino, Italien

2016 Akt und Idee, Landlmuseum Sulzbürg

2016 Leibniz-Denkmal, Altdorf/Nbg.

2016 Skulpturenpfad Mühlöhausen/OPf., „Vom Werden und Vergehen“;
         Gemeinschaftsprojekt (Graule/Schinn/Fürbacher/Königer/Zeitler)

2018 Skulpturenpfad Mühlhausen/OPf.; „Paarlauf/Kopf“, Königer/Lynderup

2020 Gemeinschaftswerk „Covid“ - auf Abstand 1.5, Rathausplatz/Mühlh./OPf., Fürbacher, Lynderup, Reithmeier, Königer, Schinn

Auswahl-Ausstellungen und Symposien

2011 Galerie Herrmann, Neumarkt/OPf.

2014 Teilnahme 1. int. Bildhauersymposium Lauchheim, BWB;
         anschl. Ausstellung Lauchheim-Ellwangen-Mühlhausen

2014 Ausstellung Deutschordenschloss, Postbauer-Heng

2016 Teilnahme „Offenes Atelier“

2017 Stein-Bild-Hauer, Finanzministerium Nürnberg
        „Stein·MichaelKöniger|Hauer|FelixRöser·Bild“

2017 Teilnahme Sulztaler-Kunst- u. Kabaretttage

2017 Bildhauersymposium, Riedenburg

2018 Ausstellung Audi-Zentrum, Ingolstadt

2019 Teilnahme „Kunst ohne Filter“, Kunstautomat, Neumarkt/OPf.